Slovenian Bike Rhapsody

Slowenien hatte mich beim Trailcamp an der Küste im vergangenen Jahr so fasziniert, dass ich unbedingt wiederkommen wollte, dieses Mal in die Karawanken im Norden des Landes. Die Karawanken gehören zu den südlichen Kalkalpen und markieren auf einer Länge von 120 Kilometern die Grenze zwischen Österreich (Kärnten) und Slowenien. Ihre Gipfel erreichen fast alle eine Höhe von 2.000 Metern. Typisch für die österreichische Nordseite sind die schroffen Felswänden und die riesigen Schutthalden. Auf der südlichen Seite in Slowenien sind die Bergflanken weniger steil und grasbewachsen. Ein ideales Bikerevier. Unser Plan für die Tage in den Karawanken: zwei Nächte in Kranjska Gora, zwei Nächte in Tržič, drei Tagestouren.

Karawanken

Am Sonntagnachmittag überqueren wir von Kärnten kommend den Wurzenpass und erreichen kurz darauf den Skiort Kranjska Gora. In Kärnten war es spätsommerlich warm, in Kranjska Gora hatte es am Morgen geschneit. Für den nächsten Tag sind 6 Grad angekündigt, aber wenigstens keine Niederschläge. Am Abend treffen wir uns mit unserem Guide Aljaž, der uns schon im Jahr davor über die Küstentrails geführt hat und dabei maßgeblich für die Ansteckung mit dem Slowenien-Fieber verantwortlich war. Aljaž kennt die Stärken und Schwächen unserer Vierergruppe gut und hat drei Touren geplant, die an die Wetterlage und die Tagesform angepasst werden können.

  • Tour 1 (westliche Karawanken): Dreiländereck (Ofen, Peč)

  • Tour 2 (zentrale Karawanken): Hochstuhl-Massiv (Veliki Stol)

  • Tour 3 (östliche Karawanken): Koschuta (Košuta)


Tour 1: Dreiländereck (westliche Karawanken)

36 km, 964 Hm, 3:50 h Fahrzeit
Kranjska Gora → Podkoren → Wurzenpass → Dreiländereck → Ofen (Peč, Monte Forno) → Rateče → Planica → Kranjska Gora.

Ja, bei 6 Grad beginnt die Tour mit einem Kaltstart. Aber da wir wirklich alle warmen Bikeklamotten eingepackt haben, auch die Helmmützen, Winterhandschuhe und Skistrümpfe aus dem hintersten Schrankfach, ist die Kälte eher eine psychologische Barriere und nach den ersten Uphillmetern sowieso vergessen.

Blick auf die Nordflanke der Julischen Alpen

Nach einer Stunde reißen die Wolken auf, und als wir etwas unterhalb des Ofengipfels in eine Panoramakurve biegen, haben wir freien Blick nach Süden auf das Massiv der Julischen Alpen, das sich auf der anderen Seite des Sava-Tals auftürmt. Einige übrig gebliebene Wolkenringe setzen dramatische Akzente.

Nach ein paar steilen Serpentinen erreichen wir das Dreiländereck, den Grenzpunkt zwischen Italien (Friaul), Österreich (Kärnten) und Slowenien (Krain) in einer kleinen Senke. Eine dreisprachige Stele markiert die Stelle. Die Wolken verdichten sich wieder. Wir nutzen die geschützte Lage und ziehen uns trockene Shirts an. Dann schieben wir die Bikes die letzten steilen Meter auf den Gipfel des Ofen (Peč, Monte Forno) auf 1.500 Metern Höhe hinauf. Müsliriegel und Schokolade werden verteilt, Handschuhe ausgezogen und Handykameras hervorgeholt. Es wird ein ausgiebiges Fotoshooting, im Süden das atemberaubende Motiv der Julischen Alpen, im Norden die lieblicheren Berge in Kärnten.

 
 

Bei der Abfahrt zurück ins Sava-Tal vernichten wir auf teils verspielten, teils etwas technischeren Trails mehr als 1.000 Tiefenmeter und rollen unten im Tal bei Sonnenschein durch eine magische Herbstlandschaft bis in den Ort Rateče, wo wir im Gasthaus Surc einkehren.

Nach Suppe, Palatschinken und Kaffee geht es weiter nach Planica, das wir nach 20 Minuten Fahrt durch das gleichnamige Tal erreichen. Es wird auch das “Tal der Schanzen” genannt. Jeder, der sich für Skispringen interessiert, kennt Planica von Fernsehübertragungen oder vielleicht sogar live, denn bei Skiflugweltmeisterschaften kommen bis zu 100.000 Skisprungbegeisterte in das Stadion. Die Skiflugschanze Letalnica wurde deshalb schon mehrmals umgebaut, zuletzt im Jahr 2013. Zurzeit bereitet sich Planica auf die Austragung der Nordischen Ski-WM im Jahr 2023 vor.

Planica, das “Tal der Schanzen”, links die Skiflugschanze

Den aktuellen Schanzenrekord auf der Letalnica hält der Japaner Ryoyu Kobayashi, der im März 2019 unglaubliche 252 Meter weit sprang. Entsprechend beeindruckend ist das Schanzenareal mit insgesamt acht verschieden großen Schanzen. Als wir ankommen, herrscht reger Trainingsbetrieb auf Sommermatten. Alle paar Sekunden hört man ein Schscht, wenn ein Springer vom Schanzentisch abhebt, und kurz darauf ein Plopp, wenn er auf den Matten landet.

Planica war aber noch längst nicht das letzte Highlight auf der Tour. Aljaž lotst uns auf geheimen Waldwegen in ein Sumpfgebiet bis zum smaragdgrünen Zelenci-See.

Zelenci-See, gespeist aus den Quellen der Sava

Es ist schon etwas später am Nachmittag, deshalb haben wir den Aussichtsturm aus Holz am Seeufer fast ganz für uns allein. Das Wasser ist so klar und schimmert so intensiv karibisch grün, dass man den Blick gar nicht mehr abwenden kann. Der See wird von mehreren Sava-Quellen gespeist und hat das ganze Jahr über konstant eine Temperatur von 6 Grad.

Vom Zelenci-See rollen wir flussabwärts die letzten 5 Kilometer zurück nach Kranjska Gora. Spontan machen wir noch einen Abstecher ins Pišnica-Tal, an dessen Ausgang Kranjska Gora liegt. Ein Trail führt am Flussufer entlang zum Jasna-See, der aus zwei künstlich angelegten Seen am Zusammenfluss der Gebirgsbäche Mala Pišnica und Velika Pišnica besteht.

Die Sonne steht schon tief, ihre Strahlen fallen fast waagerecht von Westen in das Tal und brennen den See und die Kulisse der Julischen Berge unauslöschlich ins Gedächtnis. Nach diesem Finale ist niemand mehr in der Lage, weitere Eindrücke aufzunehmen. Glücklich und von den Bildern des Tages berauscht, erreichen wir schließlich unser Hotel ins Kranjska Gora.

 

Jasna-See am Zusammenfluss von Mala Pišnica und Velika Pišnica, im Hintergrund die Julischen Alpen (© Aljaž Anderle)

 

Tour 2 (zentrale Karawanken): Hochstuhlmassiv

19 km, 820 Hm, 2:40 h Fahrzeit
Moste → Valvasorjev-Hütte → Potoška-Alm → Moste

Der Hochstuhl (Veliki Stol) ist mit 2.237 Metern der höchste Gipfel der Karawanken und ein Muss auf dem Tourenplan jedes Bikers und Wanderers, der dort unterwegs ist. Wir brechen morgens mit dem Auto von Kranjska Gora auf und fahren bis Moste, das etwa auf halbem Weg nach Tržič liegt, wo wir die kommenden beiden Nächte verbringen werden.

Hochstuhl-Massiv

Die Tour startet auf einem Parkplatz etwas oberhalb von Moste direkt an einem kleinen Bergsee. Als wir von Kranjska Gora losgefahren sind, war es nasskalt und der Himmel wolkenverhangen, hier in Moste scheint die Sonne, und es ist angenehm warm. Nach einer teils steilen Schotterauffahrt erreichen wir eine grasbewachsene Hochebene unterhalb des Gipfelkamms des Hochstuhls. Von dort hat man einen Traumblick auf den Bleder See und das Triglav-Massiv, der Triglav selbst versteckt sich allerdings hinter Wolken. Dieser spektakuläre Blick begleitet uns auf der weiteren Tour bis zur Abfahrt.

Wir passieren die Zabreska-Alm und erreichen nach einem kurzen Zwischenanstieg die Valvasorjev-Hütte, die auf einer Terrasse unterhalb von Geröllfeldern liegt. Die Hütte ist nach dem berühmten slowenischen Geografen Janez Vajkard Valvasor benannt, der im 17. Jahrhundert in 40 Bänden den landeskundlichen Klassiker “Die Ehre des Herzogtums Krain” schrieb. Hier kehren wir ein und probieren vegetarisches Szegerdiner Gulasch mit Bohnen statt Fleisch, außerdem Strudelröllchen, eine slowenische Spezialität. Nach der Mittagsrast gibt es eine kurze Abfahrt, bevor wir auf Schotter zur Potoška-Alm auf 1.200 Metern Höhe hinaufkurbeln.

Wildponys auf der Potoška-Alm (© A. Anderle)

Nach einer längeren Waldpassage treffen wir auf die Almwiesen. Auf einem Grasbuckel in einiger Entfernung grast ein Pony. Als es uns bemerkt, läuft es auf uns zu. Weitere Ponyköpfe tauchen auf dem Grasbuckel auf, werden zu ganzen Ponys, die auf kurzen Beinen und mit wehenden Mähnen zu uns galoppieren. Die herbstlichen Potoška-Almwiesen mit Blick ins Sava-Tal und die Begegnung mit der Ponyherde gehören für mich zu den schönsten Erinnerungen an die Karawanken. Aljaž spendiert den Ponys einen Riegel. Anscheinend sind sie an Wanderer und Biker gewöhnt. Geduldig und fotogen posieren sie für das Shooting mit unseren Handykameras.

Nach ein paar weiteren Serpentinen erreichen wir die Alm, den Wendepunkt der Tour. Auch hier gibt es wieder Postkartenblicke runter ins Tal von Jesnice und die den Julischen Alpen vorgelagerten Berge. Nach der Potoška-Alm geht es nur noch bergab. Aus nördlicher Richtung kommen wir noch einmal an der Valvasorjev-Hütte vorbei. Danach teilt sich die Gruppe, zwei folgen Aljaž auf einen dieser Trails, die von den Locals gepflegt werden und für die die Karawanken unter Bikern bekannt sind. Zwei entscheiden sich für die Forststraße. Ich gehöre zur Forststraßengruppe und bin besonders froh über diese Entscheidung, als die anderen von den technischen Details des Trails erzählen. Von dieser Tour bleibt mir vor allem die Erinnerung an die wunderbare Landschaft und die Ponys auf der Alm.

 
 

Am Parkplatz angekommen, packen wir die Bikes wieder aufs Auto und fahren nach Tržič, wo wir am Nachmittag im Base Camp eintreffen, unserer Unterkunft für die kommenden beiden Nächte. Das Base Camp liegt eingebettet zwischen den Karawanken und den Steiner Alpen (Kamniško-Savinjske Alpe) und ist ein idealer Ausgangspunkt für Wander- und Biketouren.

Blick vom Base Camp auf die Julischen Alpen mit dem Triglav

Auf der Webseite des Base Camp ist zu lesen, dass man vom Frühstücksraum im zweiten Stock aus einen atemberaubenden Blick auf die Julischen Alpen mit dem fast 3.000 Meter hohen Triglav hat. Genau so ist es, über die Dächer der Stadt und die Ebene der Sava hinweg saugen wir das Bergpanorama auf, bis es ganz dunkel ist.


Tour 3 (östliche Karawanken): Koschuta

36 km, 1.120 Hm, 3:20 h Fahrzeit
Tržič → Tržiška Bistrica → Kofce-Hütte → Tržič

E-Bike-Check vor dem Tourstart am Base Camp

Für die letzte Karawanken-Tour hat Aljaž spontan E-Bikes organisiert. Eine gute Idee, denn der Anstieg ist lang und zum Teil sehr steil, und für den Nachmittag ist schlechtes Wetter angesagt. Vor dem Start gibt es ein Feintuning für alle Bikes, dann geht es los.

Wir passieren Tržič an den Flanken des Bergrückens von Kriška gora, der schon zu den Steiner Alpen gehört. Wir fahren ein gutes Stück in das Tal der Tržiška Bistrica hinein und sind wieder in den Karawanken. Genauer gesagt, am Fuß der Koschuta, einem 14 Kilometer langen Gebirgsstock der Karawanken zwischen Hochturm (Veliki vrh) im Westen und Koschutnikturm (Košutnikov turn) im Osten.

Bei Jelondol biegen wir links in das Nebental der Dolžanka ab und machen uns an den 9 Kilometer langen Schotteranstieg bis auf 1.500 Meter Höhe. Hier oben befinden wir uns am Fuß des Hainschturms (Kladivo), jedenfalls laut Karte, denn fette Wolken hängen über dem Koschuta-Kamm und verbergen die Gipfel. Richtung Süden gibt es aber immer wieder Wolkenlücken, und man bekommt einen Eindruck von der gigantischen Aussicht, die man hier an klaren Tagen haben muss. Trotz Shuttle im Bike sind wir nach dem langen Anstieg ziemlich verschwitzt und freuen uns über trockene Wechselshirts bei der einer Pause.

 
 

Das nächste Ziel ist die Kofce-Hütte, eines der beliebtesten Wanderziele in den Karawanken. Über Almwiesen, Karren- und Geröllwege kommen wir mit unseren E-Bikes streckenweise in den Genuss von Uphillflow. Ja, es macht wirklich so viel Spaß, wie man immer hört. Die Hütte ist leider geschlossen. In einer Senke unterhalb der Hütte sammeln wir auf einem Baumstumpf alles, was die Rucksäcke an Snacks hergeben.

Die folgende Abfahrt über mehr als 1.000 Tiefenmeter geht teils über Trails, teils über Karrenwege zurück nach Tržič. Wer fahrtechnisch gut drauf ist, für den sind die Trailpassagen ein Genuss. Wer weniger Vertrauen in seine Downhillskills hat, kann die kritischen Stellen problemlos schiebend überwinden. Als wir wieder in Tržič ankommen, ist der Ladezustand der Batterien und der Energie im Körper ziemlich auf null. Auf dem Weg liegt die Pizzeria Pod Gradom, wo Kalorien aufgetankt werden. Die Pizzeria liegt auf dem Gelände des malerischen Herrenhauses “Grad Neuhaus”, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts dem österreichischen Feldmarschall Johann Josef Wenzel Radetzky (ja, der mit dem Marsch) gehörte, der von der slowenischen Bergwelt begeistert war und sich dort häufig aufhielt.


Ich glaube, mir geht es ähnlich wie Radetzky. Die Region der Krain ist unglaublich vielfältig und faszinierend. Mit dem Bike über die Grashänge der Karawanken zu surfen, ist reines Bikerglück. Die Schönheit der Landschaft verzaubert einen, zumal sich hinter jeder Kurve ein neuer atemberaubender Blick auftut.

Wir waren bei Aljaž wieder in besten Händen, er kennt jeden Berg und jeden Trail der Region. Nicht nur das, er kann auch über Wasser biken, wie das Video zeigt. Danke Aljaž für die maßgeschneiderte Tourenplanung, deine Liebenswürdigkeit und deine Geduld!

Tipps fürs Biken in den Karawanken

  • Beste Zeit: Juni bis Ende September

  • Anreise von Norden über Wurzenpass, Karawankentunnel oder Loiblpass

  • Hauptorte der Region Krain: Kranjska Gora, Jesenice, Bled, Tržič

  • Alpenregion Slowenien: Slowenischer Tourismusverband

  • Alpiner Überblick über die Karawanken: summitpost.org

  • Geführte Mehrtagestour: Best of Karawanken (für Fortgeschrittene)